Pflanzen: komplexe Lebewesen
Pflanzen: komplexe Lebewesen
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Pflanzen sind eine der drei grossen Gruppen (Reiche) von mehrzelligen Organismen, in die Lebewesen unterteilt sind. Bei den beiden anderen handelt es sich um Tiere und Pilze (Myzeten). Jedes Jahr werden fast 2'000 neue Arten entdeckt, bislang wurden etwa 400'000 Pflanzenarten identifiziert.

Die Einheit des Lebendigen: von der tierischen zur pflanzlichen Zelle

Neben Tieren und Pilzen bilden Pflanzen eine der grossen Gruppen von mehrzelligen Organismen, in deren Zellen Kerne und Mitochondrien vorhanden sind, die sogenannten eukaryotischen Organismen. Ein Grossteil der Forscher geht davon aus, dass die Fossile, die als älteste Eukaryoten gelten, zwischen 2,1 und 2,7 Milliarden Jahre alt sind.

Die erste tierische Zelle entstand, als eine primitive Zelle ein Bakterium absorbierte, das so zu einem Organell dieser Zelle wurde, dem Mitochondrium. Die tierische Zelle musste sich von bereits existierenden organischen Komponenten ernähren, sie erhielt die Bezeichnung «heterotroph».

Dann bildete sich vor rund 1,6 Milliarden Jahren die pflanzliche Zelle, als eine tierische Zelle zusätzlich eine photosynthetische Blaualge (Cyanobakterium) absorbierte, die wiederum zu einem weiteren Organell der Zelle wurde, dem Chloroplast. Diese neue Zelle, die aus Mineralsalzen aus dem Boden und dem durch die Sonnenenergie assimilierten Kohlenstoffdioxid ihr eigenes organisches Material produzieren konnte, wurde als «autotroph» bezeichnet und begründete die Phylogenese, die stammesgeschichtliche Entwicklung der Pflanzen.

Bis zu einem gewissen Punkt haben also alle Pflanzen dieselben Zelleigenschaften wie Tiere. Die Studie ihres Verhaltens in Ökosystemen deutet ausserdem darauf hin, dass sie ihren entfernten Verwandten gar nicht so unähnlich sind.

Die wichtigsten Eigenschaften von Pflanzen

Wie bereits erwähnt können Pflanzen – im Gegensatz zu Tieren und Pilzen – dank der Photosynthese, die mithilfe von grünen Pigmenten (Chlorophyll) in den Chloroplasten stattfindet, ihr eigenes organisches Material produzieren. Pflanzliche Zellen unterscheiden sich auch durch eine zusätzliche Zellulosewand um jede Zelle und einige bestimmte Moleküle wie beispielsweise Lignin, das das Gewebe fest macht, von tierischen Zellen.

Im Übrigen handelt es sich bei Pflanzen um durch das Wurzelsystem im Boden verankerte Organismen. Diese Eigenschaft macht sie sehr abhängig von ihren Umgebungsbedingungen. Aufgrund dieser Standortbindung mussten sie zahlreiche Strategien entwickeln, um die Veränderungen in ihrem Lebensraum zu meistern, im Gegensatz zu Tieren, die bei einer Veränderung einfach fliehen können.

Daher hat Reis beispielsweise mehr als 50'000 Gene, während der Mensch nur etwa 26'000 Gene hat. Laut dem auf die Ökologie von tropischen Regenwäldern spezialisierten Botaniker Francis Hallé belegt die Tatsache, dass «Reis doppelt so viele Gene hat wie der Mensch, dass er im Grund viel komplexer ist»..

Die Rolle der Pflanzen in Ökosystemen

Pflanzen bilden die Grundlage der Nahrungskette und spielen somit eine grundlegende Rolle bei der globalen Funktionsweise der Biosphäre. Man nennt sie auch «Primärerzeuger», weil sie über die Photosynthese ihr eigenes organisches Material produzieren können. Ob an Land oder im Wasser, Pflanzen sind der Ursprung jeder Nahrungskette.

Auch das Leben der Menschen hängt zu 100 % von Pflanzen ab, nicht nur für die Versorgung mit Sauerstoff, sondern auch, um den Energiebedarf durch fossile Ressourcen zu decken, die sich im Laufe von Millionen von Jahren angesammelt haben, und um Medikamente und Nahrung zu erhalten.

Sensorik, Gedächtnis und Kommunikation in der Pflanzenwelt

Pflanzen nehmen Umweltreize wahr (Regen, Wind, Kälte, Wärme, Aggressionen durch Pflanzenfresser oder Krankheitserreger usw.) und sie erinnern sich während eines ausreichenden Zeitraums an die Art von Reaktion, die auf diese Reize erfolgen muss. Diese Fähigkeit ist ein entscheidender Vorteil, der Pflanzen eine finale Reaktion unter Berücksichtigung all dieser Reize und ihrer Schwankungen ermöglicht. Wenn eine Pflanze einen zuvor schon einmal wahrgenommenen Reiz erkennt, reagiert sie stärker.

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Zu Beginn der 1980er-Jahre, als die ersten Studien zum Gedächtnis der Pflanzen durchgeführt wurden, stellten der Biologe und der Chemiker Jack Schultz und Ian Baldwin mit der Veröffentlichung ihrer Arbeiten in der berühmten wissenschaftlichen Zeitschrift «Science» [Baldwin 1983] die Weichen für den Beweis einer chemischen Kommunikation zwischen Pflanzen.

In den letzten drei Jahrzehnten konnte dank des technischen Fortschritts und der Beharrlichkeit der Forscher, die dogmatische Positionen ablehnen, so die versteckte Komplexität der Pflanzenwelt offenbart werden. Neue Studienfelder sind entstanden, zum Beispiel die der pflanzlichen Neurobiologie und der Intelligenz der Pflanzen.

« Wenn die Menschen bereit sind, zu verstehen, dass Pflanzen keine passiven Dinge sind, wie etwa Möbel, sondern entwickelte und äusserst raffinierte Organismen, werden sie sie respektieren ».

Stefano Mancuso, Universität Florenz (Italien)

Dider GUÉDON, Experte im französischen Ausschuss für die Pharmakopöe


Bibliographie :

Baldwin IT, Schultz JC. Rapid changes in tree leaf chemistry induced by damage: evidence for communication between plants. Science 1983;221:277-9.
Baluska F, Mancuso S. Plant neurobiology. Plant Signal Behav 2009;4:475-6.
Campbell N, Reece J, Urry L, Cain M, Wasserman S, Minorsky P, Jackson R. Biologie, 9ème ed. Pearson Education, 2012.
Margulis L. Origin of eucaryotic cells. Yale University Press, 1970.
Thellier M, Desbiez MO, Champagnat P, Kergosien Y. Do memory processes occur also in plants ? Physiol Plant 1982;56:281-4.
Thellier M. Les plantes ont-elles une mémoire? Quae, 2015.
Vian A, Stankovic B, Davies E. Signalomics: Diversity and Methods of Analysis of Systemic Signals in Plants. In: Plantomics: the omics of plant science. Springer, 2015:459-490.